Ich verwende das bewegte Bild, um die Formen der Interaktion zwischen einem Kunstwerk und dem umgebenden Raum zu überdenken. Den bewussten Verzicht auf narrative Elemente, ein analytischer Umgang mit verwendeten Medien und die aktive Einbeziehung des Ausstellungsraums als gleichberechtigtes Element einer multimedialen Installation sind die bestimmenden Prinzipien meiner Arbeit. Ein Kunstwerk interessiert mich nicht als Produkt, sondern als ein Raum, in dem man auf Realitätsvorstellungen stößt, die es vorher nicht gab.
Wann und wo ich mein Kunststudium begann, von neuen Medien war nie die Rede. Da meine Mutter Bildhauerin und mein Vater Maler ist, habe ich mich für die Monumentalmalerei entschieden – eine Art Synthese der beiden. Die Monumentalmalerei-Abteilung der Belarussischen Kunstakademie, trotz ihres ausgeprägten Konservatismus, lenkte meinen Weg in die zeitgenössische Kunst. Sie lehrte mich, im großen Maßstab zu denken und zu schaffen, was paradoxerweise mit der Konzeption ortsbezogener Installationen korrespondiert.
Als Künstlerin folge ich meinem eigenen Kanon. Eine der Regeln dieses Kanons ist die Interaktion mit einem bestimmten Raum. Meine Aufgabe ist es, den Raum meiner Idee unterzuordnen. Ihn zu erobern, ihn sich anzueignen, ihn zum Bestandteil meiner Arbeit zu machen. Es ist wichtig, dass der ganze Raum oder das ganze Gebäude in meine Arbeit einbezogen wird. Mein Material ist das bewegte Bild, das Video. Die meisten assoziieren es mit Kino, aber was ich mache, ist nicht narrativ im filmischen Sinne. Ein Videobild ist für mich eine dynamische Form des Lichts, die einem dreidimensionalen Raum eine zusätzliche Dimension verleiht.
Ich synthetisiere das Bild aus selbst aufgenommenem oder programmiertem Material. Meistens arbeite ich mit meinem eigenen visuellen Element, LINEMENT – einem Lichtstreifen, der sich vor einem schwarzen Hintergrund bewegt. Für jeden neuen Ausstellungsraum werden der Rhythmus und die Proportionen dieses Videoelements neu justiert. Anfangs habe ich LINEMENT nur auf CRT-Monitoren gezeigt. Das war wichtig wegen der Funktionsweise von CRT-Monitoren, bei denen sich das Licht buchstäblich nach außen ergießt. Ich machte mehrere ortsbezogene Installationen ORNAMENT mit CRT-Monitoren, wobei ich zunächst vier und dann vierzehn Monitore vertikal in einer Säule und dann horizontal in einer Linie aneinanderreihte, welche unendlich mit Spiegeln reflektiert wurde und den Ausstellungsraum völlig veränderte und unterordnete. Ich wollte dieses Ergebnis der Transformation und Interaktion weiterentwickeln und begann bei der Arbeit an LINEMENT, Projektion und Videomapping einzusetzen, um architektonische Formen als Projektionsflächen zu nutzen.
LINEMENT habe ich mich immer wieder zugewandt, es manchmal in ein materielles Objekt verwandelt oder es in einer neuen Qualität in die Videorealität zurückgebracht. Obwohl es keine lexikalische Bedeutung hat, gleicht LINEMENT einem kanonischen Text, der nach dem Prinzip der musikalischen Struktur organisiert ist. Sein dogmatisch sequentielles Zeichensystem vermittelt keine spezifische Bedeutung, sondern führt zum Verständnis auf einer sinnlichen, vorsprachlichen Ebene.
Text ist für mich wichtig als eine Form, die in Zeit und Raum existiert und deren Wahrnehmung tiefer und komplexer wird, wenn sie in ein Kunstobjekt integriert wird. Deshalb arbeite ich neben dem Thema LINEMENT – Licht im Raum – auch mit dem Thema Text im Raum. In ONE POEM BETWEEN THE WINDOW AND THE BLACK WALL (wo der Text buchstäblich im Raum zwischen einem Fenster und einer schwarzen Wand aufgehängt ist), in “UNDERSTAND/FEEL” (wo der Betrachter mit dem Textprojektion auf Wasser interagieren kann und Teile davon entziffern), in ONE ART. ONE PLACE (wo ein radikaler Text über Kunst durch das Audiosystem eines Kirchengebäudes übertragen wird), in ONE SHAPE, ONE SQUARE, ONE EXECUTION, ONE TRANSCENDENCE (wo der vorgelesene Text in eine physische Kraft verwandelt, die buchstäblich ein schwarzes Quadrat schiebt), – unterziehe Ich den Text, wie das Licht, einer medialen Transformation, indem ich seine Wahrnehmung an ein bestimmtes Zeitintervall und einen bestimmten Raum binde.
Bedeutung eines Kunstobjekts ist für mich in ihrer Unbestimmtheit interessant. Der Semiotiker Yuri Lotman sprach von Texten, die das Bewusstsein des Rezipienten informieren können, ohne Informationen oder eine bestimmte Bedeutung zu vermitteln. So betrachte ich meine Arbeiten: als eine Reihe plastischer Phänomene, die in einem gegebenen, vorzugsweise architektonischen Raum existieren und beim Betrachter einen Prozess des Hinterfragens und Engagements auslösen, ohne figurativ zu sein oder irgendwelche narrativen Züge zu haben. Sie laden zu einer langen und anhaltenden Betrachtung ein und zielen darauf ab, den Betrachter auf einer sinnlichen, vorsprachlichen Ebene zu erreichen.