EIN GEDICHT
2005
Video, 60 min
s/w, ohne Ton

Das ist die grundlegende Arbeit aus einer Serie, die sich auf einen poetischen Text des Künstlers Dima Hmyznikov stützt. Die Arbeiten der gesamten Serie vereinigt mein Interesse an der Phänomenologie der Textwahrnehmung. In der interaktiven Installation VERSTEHEN/FÜHLEN, die für mich ein Bild eines konkreten poetischen Werks ist, untersuche ich die Art und Weise der nonverbalen Wahrnehmung eines Textes. Der Text wurde in dem Projektionssystem verborgen, das ihn gleichzeitig reproduziert und die Interaktion mit seinem Zuschauer ermöglicht. Der Text wird Buchstabe für Buchstabe durch eine Schicht von Wasser projiziert, und abhängig von der Bewegung der Hand des Zuschauers im Wasser verändert sich die Geschwindigkeit des Laufs der Buchstaben. Obwohl es möglich ist, die optimale Geschwindigkeit für das Lesen der Textfragmente zu finden, bleibt es vollkommen ausgeschlossen, den Text als Ganzes lesen zu können. So versuche ich, dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, intuitiv mit dem Text in eine Wechselbeziehung zu treten, ein Bild vom Inhalt eines Textes wahrzunehmen, ohne ihn zu lesen.
In der Installation EIN GEDICHT ZWISCHEN FENSTER UND SCHWARZER WAND wurden für die Wahrnehmung des gleichen poetischen Textes einzigartige räumliche Bedingungen geschaffen. Der Monitor, der in großer Höhe im Raum zwischen Fenster und schwarzer Wand positioniert ist, zeigt den Text, der auf schwarzem Hintergrund langsam dahinfließt. Der Text wird als “Fließtext“ dargeboten, wobei allerdings die Bewegungsgeschwindigkeit der Buchstaben nicht erlaubt, mehr als ein Symbol gleichzeitig zu sehen. Die Wahrnehmung des Textes gründet sich in der vorliegenden Arbeit auf die Gegenüberstellung von drei Zeitzyklen: Der 24-Stunden-Zyklus eines sich ändernden Lichts hinter dem Fenster, ein 60-Minuten-Video mit Text, und die außerhalb der Zeit existierende schwarze Oberfläche der dem Fenster gegenüberliegenden Wand. In EIN GEDICHT betrachte ich den gleichen Text unter der Voraussetzung, daß er seine eigene, objektive Wahrnehmungsperspektive schafft. Sein Verständnis hängt nicht länger von der Umgebung ab, sondern er setzt einen Bezug zur Intertextualität voraus, wenn der Text mit seinem inneren Raum einen eigenen Lauf der Zeit offenbart.